aus der Presseinformation der Verteidigerinnen und Verteidiger im Münchner Kommunistenprozeß gegen mutmaßliche Mitglieder der TKP/ML:
Im fragwürdigen „Münchener Kommunistenprozess“ kommt es zu einer
Gefährdung der Prozessteilnehmer*innen und der Allgemeinheit. In dem Verfahren stehen seit Juni 2016 zehn angebliche Mitglieder der Kommunistischen Partei der Türkei/ML (TKP/ML), darunter ein Nürnberger
Ärztepaar, wegen Bildung einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor Gericht. Der zuständige Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München will trotz der Corona-Pandemie noch nicht einmal für kurze Zeit das Massenverfahren mit mehr als 50 Personen, die aus dem ganzen Bundesgebiet anreisen, unterbrechen. Diese Entscheidung setzt mehrere Personen aus Risikogruppen einer Ansteckungsgefahr aus und schafft aufgrund der weiten Reisewege die Gefahr neuer, unkontrollierbarer Infektionsketten. Gerade um diese zu verhindern, steht derzeit fast das gesamte Land still – mit großen wirtschaftlichen Schäden. Dabei ignoriert das Gericht alle Maßnahmen, die
von der Bundes- und Landesregierung zur Eindämmung der Pandemie
und damit zum Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung beschlossen
werden. Deshalb ist aus Sicht der Verteidigung die Fortsetzung des Verfahrens in der derzeitigen Situation unverantwortlich:
• Die Hauptverhandlung findet im Saal 101 des OLG München statt. Regelmäßig sind in dem Großverfahren inklusive Dolmetscher und Wachpersonal mehr als 56 Personen auf engstem Raum anwesend.
• Der größte Teil der zehn Angeklagten, zwanzig Verteidigerinnen und zehn Vertrauensdolmetscherinnen reist zu jedem Prozesstag durch das gesamte Bundesgebiet per Bahn bzw. Flugzeug an. (Die Zahlen stellen sich wie folgt dar: 1 Haft in München, 8 NRW, 7 Hessen, 6 Nürnberg, 6 Berlin, 6 Baden-Württemberg, 1 Schleswig-Holstein, 1 Hamburg, 3 Ausland).
• Drei der Angeklagten müssen jeweils aus dem Ausland anreisen (Schweiz, Liechtenstein und Frankreich).
• Ein Teil der Angeklagten, wie auch der Verteidiger gehört im Falle einer Erkrankung mit COVID-19 zur (Hoch)risikogruppe, aus Altersgründen, aus Gründen – teils erheblicher – Vorerkrankungen und aus Gründen aktueller schwerwiegender Erkrankungen bzw. deren Nachwirkungen, die während der enorm langen Verfahrensdauer aufgetreten sind.
• Die Angeklagten werden beim Betreten des Gerichtsgebäudes jeweils durch einen Justizvollzugsbeamten mit direktem Körperkontakt
durchsucht.
• Die Verhandlung findet im Strafjustizzentrum München statt, das
jeden Tag von mehr als 1.000 Personen betreten wird.
Am Montag den 16.03.2020 erreichte die Verteidiger die Entscheidung
des Vorsitzenden des 7. Strafsenats, Dr. Dauster, dass am Mittwoch, den 18. März 2020, sowie noch vor der Osterpause am 23., 24., 30., 31. März 2020 und am 1. April 2020 verhandelt werden soll.
In der Begründung heißt es, dass der Senat ‘das Risiko für die erfahrensbeteiligten aufgrund der Corona-Pandemie mit dem Strafverfolgungsinteresse des Staates, dem Beschleunigungsgebot und dem
Recht der Angeklagten auf ein zügiges Verfahren’ abgewogen habe (…).